Die Good Manufacturing Practice (GMP) ist eines der zentralen regulatorischen Fundamente für die Herstellung und Kontrolle von Arzneimitteln und Biologika. Sie definiert Anforderungen, die sicherstellen, dass Produkte stets sicher, wirksam und von gleichbleibend hoher Qualität sind. Für viele Fachkräfte außerhalb der Qualitäts- oder Produktionsabteilungen klingt GMP zunächst wie ein Sammelsurium an Regeln. In Wirklichkeit ist GMP aber ein integraler Bestandteil der gesamten Wertschöpfungskette in der pharmazeutischen und biotechnologischen Industrie.
Dieser Artikel soll GMP für Einsteiger und Nicht-Pharma-Mitarbeiter greifbarer machen. Er bietet sowohl theoretische Grundlagen als auch praxisnahe Beispiele und zeigt auf, welche Bedeutung GMP für Patientensicherheit, Produktqualität, Timelines und Wirtschaftlichkeit hat.
GMP ist ein Teilbereich der sogenannten Good Practices (GxP). Während „Good Laboratory Practice (GLP)“ für präklinische Studien gilt und „Good Clinical Practice (GCP)“ klinische Prüfungen regelt, betrifft GMP die Herstellung und Qualitätskontrolle von Arzneimitteln und Wirkstoffen. Grundlage sind gesetzlich verankerte Richtlinien, wie:
EudraLex Volume 4 – EU-Leitfaden der Guten Herstellungspraxis [1]
21 CFR Part 210/211 – US-amerikanische GMP-Regularien der FDA [2]
PIC/S GMP Guide – international harmonisierte GMP-Richtlinien [3]
WHO GMP Guidelines – weltweit anerkannte Standards insbesondere für Entwicklungsländer [4]
Ein Medikament muss dem Patienten helfen – und darf ihm niemals schaden. Falsch dosierte, verunreinigte oder instabile Produkte können katastrophale Folgen haben. Ein Beispiel ist der Fall Heparin 2008, bei dem verunreinigte Chargen in den USA mehrere Todesfälle verursachten. Strikte GMP-Anforderungen wie Rohstoffkontrollen, Lieferantenaudits und Validierungen sollen genau solche Risiken verhindern [5].
Qualität bedeutet im pharmazeutischen Kontext nicht „Premium“, sondern gleichbleibende Wirksamkeit und Sicherheit. Ein Medikament muss vom ersten bis zum letzten Tag seiner Haltbarkeit dieselben Eigenschaften aufweisen. Deshalb regeln GMP-Vorgaben unter anderem:
Fehlproduktionen oder Rückrufe sind extrem teuer. Der Rückruf von Valsartan (2018) aufgrund von Nitrosamin-Verunreinigungen führte weltweit zu Milliardenverlusten [6]. GMP ist daher nicht nur regulatorisch vorgeschrieben, sondern auch ein Risikomanagementinstrument, um wirtschaftliche Schäden zu vermeiden.
Gerade in der Biotechnologie kann eine verspätete Zulassung oder eine Produktionsunterbrechung enorme Auswirkungen haben. GMP sorgt für verlässliche Prozesse und damit für eine höhere Planbarkeit. Dies ist nicht nur für Patienten wichtig, sondern auch für Investoren und Partnerunternehmen.
Die Kernanforderungen von GMP lassen sich in sechs Hauptbereiche gliedern:
Dokumentation – „If it’s not documented, it didn’t happen.“ Jede Handlung muss schriftlich nachvollziehbar sein.
Qualifizierung und Validierung – Anlagen, Prozesse und Methoden müssen nachweislich geeignet sein.
Personal und Schulung – Nur qualifizierte Mitarbeiter dürfen GMP-relevante Tätigkeiten durchführen.
Hygiene und Kontaminationskontrolle – Reinräume, Bekleidung und Verhaltensregeln verhindern Kontamination.
Qualitätskontrolle – Jedes Produkt wird streng geprüft, bevor es den Markt erreicht.
Risikomanagement – Risiken werden nach ICH Q9 bewertet und mitigiert.
Ein Mitarbeiter bei Roche wiegt einen Wirkstoff ein. Neben der reinen Tätigkeit muss er sicherstellen, dass:
die Waage qualifiziert und kalibriert ist,
alle Schritte im Batch Record dokumentiert werden,
eine zweite Person eine Line Clearance durchführt. So wird verhindert, dass fehlerhafte Eingaben unentdeckt bleiben.
Bei Novartis werden in einer Mehrzweckanlage unterschiedliche Produkte hergestellt. Ohne GMP könnte es zu Kreuzkontaminationen kommen. GMP schreibt daher vor:
definierte Reinigungsverfahren,
analytische Nachweise für Rückstandsgrenzwerte,
Freigabe durch QA.
Ein Biotech-Startup wie BioNTech bezieht Lipidrohstoffe aus Asien. GMP verpflichtet das Unternehmen:
Lieferanten zu auditieren,
Prüfungen der Ausgangsstoffe durchzuführen,
regelmäßige Überprüfungen durchzuführen.
Dies schützt nicht nur vor Fälschungen, sondern erhöht auch die Lieferkettensicherheit.
Obwohl GMP unverzichtbar ist, gibt es auch Nachteile:
Kostenintensiv: Einrichtung und Betrieb von Reinräumen, Validierungen und Schulungen sind teuer.
Komplexität: Besonders kleine Unternehmen haben Schwierigkeiten, die Vorgaben umzusetzen.
Zeitverzögerungen: Validierungen und Freigabeprozesse verlängern Entwicklungszeiten.
Dennoch überwiegen die Vorteile deutlich. GMP ist der Schlüssel, um Vertrauen bei Behörden, Partnern und Patienten zu schaffen.
Ein wichtiger Aspekt ist die globale Harmonisierung. Unterschiede in den Regularien können zu doppelten Prüfungen führen. Initiativen wie:
ICH Q7 für Wirkstoffe,
PIC/S zur Vereinheitlichung von Inspektionen,
WHO GMP Guidelines für Entwicklungsländer
tragen dazu bei, die Standards weltweit vergleichbarer zu machen.
GMP ist weit mehr als ein regulatorisches Pflichtprogramm. Es ist ein strategisches Instrument zur Sicherstellung von Patientensicherheit, Produktqualität und wirtschaftlicher Stabilität. Unternehmen, die GMP konsequent implementieren, profitieren von:
minimierten Risiken,
stabilen Lieferketten,
gesteigertem Vertrauen bei Behörden und Patienten.
GMP definiert international verbindliche Standards für die Herstellung von Arzneimitteln.
Ziele sind Patientensicherheit, Qualitätssicherung und Risikominimierung.
Praxisnahe Beispiele zeigen: Dokumentation, Reinigungsvalidierung und Lieferantenqualifizierung sind entscheidend.
Trotz hoher Kosten und Komplexität überwiegen die Vorteile: Zugang zu Märkten, Vertrauen und Rechtssicherheit.
Globale Harmonisierung erleichtert die Umsetzung und reduziert Doppelarbeit.
[1] European Commission. (2022). EudraLex - Volume 4 - Good Manufacturing Practice (GMP) guidelines. Zugriff am 26.08.2025 von https://health.ec.europa.eu
[2] U.S. Food and Drug Administration (FDA). (2023). 21 CFR Parts 210 and 211 - Current Good Manufacturing Practice for Finished Pharmaceuticals. Zugriff am 26.08.2025 von https://www.fda.gov
[3] PIC/S. (2022). Pharmaceutical Inspection Co-operation Scheme - GMP Guidelines. Zugriff am 26.08.2025 von https://picscheme.org
[4] World Health Organization (WHO). (2023). WHO good manufacturing practices for pharmaceutical products. Zugriff am 26.08.2025 von https://www.who.int
[5] BioPharm International. (2009). Heparin Contamination Crisis: Lessons Learned. Zugriff am 26.08.2025 von https://www.biopharminternational.com
[6] BioProcess International. (2019). The Valsartan Recalls: Lessons for the Industry. Zugriff am 26.08.2025 von https://bioprocessintl.com