Praxisnahe GxP- und Compliance-Expertise

GMP-Audits und Inspektionen

GMP-Audits und Inspektionen: Was Sie wirklich vorbereiten müssen

Einleitung

GxP-Compliance ist heute mehr denn je ein entscheidender Faktor für die pharmazeutische und biotechnologische Industrie. Behörden wie die FDA (U.S. Food and Drug Administration), die EMA (European Medicines Agency), Swissmedic oder die WHO führen regelmäßig Inspektionen durch, um sicherzustellen, dass Arzneimittel in Übereinstimmung mit den Good Manufacturing Practices (GMP) hergestellt werden. Zusätzlich führen Unternehmen interne und externe Audits durch, um ihre Lieferketten, Produktionsstätten und Qualitätssysteme zu prüfen.

Eine unzureichende Vorbereitung kann weitreichende Folgen haben: von Warning Letters der FDA, erheblichen finanziellen Einbußen durch Produktionsstopps, bis hin zu Gefährdungen von Patientensicherheit und Produktqualität. Dieser Artikel beleuchtet, was Unternehmen praxisnah wirklich vorbereiten müssen – nicht nur, um Inspektionen zu bestehen, sondern um eine nachhaltige Compliance-Kultur zu etablieren.

1. Regulatorischer Rahmen

Die Anforderungen an GMP-Audits und Inspektionen sind international harmonisiert, jedoch mit länderspezifischen Nuancen:

  • USA (FDA): 21 CFR Parts 210/211; Inspektionen erfolgen unangekündigt.

  • Europa (EMA/Europäische Kommission): EudraLex Volume 4, ergänzt durch Annexes (z. B. Annex 1 Sterile Herstellung, Annex 11 Computerised Systems).

  • Schweiz (Swissmedic): Übernimmt weitgehend EudraLex-Anforderungen, ergänzt durch schweizerische Besonderheiten.

  • WHO: „WHO Technical Report Series“ mit GMP-Richtlinien, insbesondere relevant für internationale Märkte.

Die regulatorischen Behörden setzen zunehmend auf einen risikobasierten Ansatz (ICH Q9, ICH Q10), der die Produktqualität und Patientensicherheit ins Zentrum stellt .

2. Warum Audits und Inspektionen entscheidend sind

Ein häufiger Irrtum ist, dass Inspektionen nur ein „notwendiges Übel“ seien. Tatsächlich haben sie verschiedene Schlüsselfunktionen:

  • Schutz der Patientensicherheit: Unzureichende Prozesskontrollen können zur Freisetzung von Produkten führen, die gesundheitsschädlich sind.

  • Sicherstellung der Produktqualität: Qualitätsmängel wie Kontamination oder instabile Formulierungen müssen frühzeitig erkannt werden.

  • Finanzielle Resilienz: Behördenmaßnahmen wie „Import Alerts“ oder „Stop of Production“ können Wochen bis Monate dauern und Millionenverluste verursachen.

  • Marktzugang und Reputation: Viele Länder akzeptieren Inspektionsberichte bestimmter Behörden (z. B. PIC/S-Mitgliederstaaten). Ein schlechtes Ergebnis kann sich weltweit auswirken.

Praxisbeispiel: Im Jahr 2019 verhängte die FDA über ein indisches Generikaherstellungsunternehmen einen „Import Alert“ aufgrund von schwerwiegenden GMP-Verstößen in der Datenintegrität. Dies führte zu einem sofortigen Umsatzeinbruch im dreistelligen Millionenbereich.

3. Schlüsselbereiche zur Vorbereitung

3.1 Dokumentation und Datenintegrität

„If it isn’t documented, it didn’t happen“ – dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt. Auditoren prüfen:

  • Vollständigkeit und Genauigkeit von Chargenprotokollen.

  • Nachvollziehbarkeit in elektronischen Systemen (Audit Trails).

  • Sicherstellung der ALCOA-Prinzipien (Attributable, Legible, Contemporaneous, Original, Accurate).

Beispiel: Werden bei der visuellen Inspektion von Vials Beanstandungen nicht zeitnah dokumentiert, führt dies zu einem Verstoß gegen Data Integrity-Erwartungen nach FDA- und EMA-Leitlinien.

3.2 Qualitätsmanagementsystem (QMS)

Ein robustes QMS ist die Grundlage jeder Vorbereitung. Behörden erwarten insbesondere:

  • Validierte Prozesse (Herstellung, Reinigung, Computer-Systeme).

  • Wirksames CAPA-System (Corrective and Preventive Actions).

  • Trainingsprogramme mit dokumentierten Qualifikationen.

  • Management Review & periodische Selbstinspektionen.

Praxisbeispiel: Wenn ein CAPA-Prozess chronisch überfällig ist, zeigt dies mangelnde Management-Kontrolle. Swissmedic wertet dies regelmäßig als Major Deviation.

3.3 Technische und infrastrukturelle Aspekte

  • Räumlichkeiten und Hygiene: Annex 1 der EU-GMP legt detailliert Anforderungen an Reinräume fest. Jede Abweichung (z. B. defekte Luftschleusen) kann ein „Critical Finding“ auslösen.

  • Gerätequalifizierung (IQ/OQ/PQ): Auditoren fordern Wartungs- und Kalibrierprotokolle ein.

  • Lieferkette (Supply Chain Security): Rohstoffe müssen von qualifizierten Lieferanten stammen. Auditoren verlangen Lieferantenaudits und Spezifikationsdokumente.

Praxisbeispiel: Ein Unternehmen in Deutschland erhielt von der EMA ein „Statement of Non-Compliance“, da es keine ausreichenden Qualifikationen für einen API-Lieferanten in China durchgeführt hatte. Die Folge: Verzögerung von Zulassungsverfahren um mehrere Monate .

3.4 Verhalten im Audit/Inspektion

Auch Soft Skills sind entscheidend:

  • Antworten sollten präzise, faktenbasiert und ehrlich sein.

  • Unvollständige oder ausweichende Antworten verschärfen die Prüfintensität.

  • Es ist zulässig zu sagen: „Ich weiß es nicht, ich recherchiere und reiche es nach.“

4. Finanzielle und organisatorische Implikationen

  • Kosten der Vorbereitung: Aufbau eines dokumentierten QMS kann mehrere Millionen Euro betragen – jedoch deutlich günstiger als Produktionsstopps.

  • Timelines: Behörden erwarten, dass CAPAs innerhalb von 30–90 Tagen implementiert werden, abhängig von der Schwere des Findings.

  • Risk-Return-Balance: Investitionen in vorbeugende Inspektionsvorbereitung zahlen sich aus:

    • weniger Abweichungen,

    • kürzere FDA/EMA-Review-Zeiten,

    • schnellerer Zugang zu internationalen Märkten.

5. Take Home Messages

  • Audits und Inspektionen sind keine einmaligen Prüfungen, sondern Spiegelbild der täglichen Compliance-Kultur.

  • Dokumentation und Datenintegrität sind häufige Schwachstellen und müssen priorisiert werden.

  • Patientensicherheit und Produktqualität sind der übergeordnete Maßstab aller Regelwerke.

  • QMS, Infrastruktur und Lieferkette müssen jederzeit „audit ready“ sein.

  • Finanzielle und zeitliche Konsequenzen bei schwerwiegenden Findings übersteigen die Investition in gute Vorbereitung bei weitem.

Quellenverzeichnis

International Council for Harmonisation (ICH). (2005). ICH Q9: Quality Risk Management. Abgerufen am 28. August 2025, von https://www.ich.org

FDA. (2019). FDA Import Alert 66-40. Abgerufen am 28. August 2025, von https://www.fda.gov

EMA. (2018). Guideline on Data Integrity. Abgerufen am 28. August 2025, von https://www.ema.europa.eu

European Medicines Agency (EMA). (2020). Statements of non-compliance with GMP. Abgerufen am 28. August 2025, von https://www.ema.europa.eu