Im Bereich der Good Manufacturing Practice (GMP) stellen menschliche Fehler eine der häufigsten Ursachen für Abweichungen dar. Diese Fehler können nicht nur die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln gefährden, sondern auch erhebliche finanzielle und regulatorische Konsequenzen nach sich ziehen. Die internationale Regulierung, einschließlich der FDA, EMA, Swissmedic und der WHO, fordert daher eine systematische Analyse und Minimierung menschlicher Fehler als integralen Bestandteil des Qualitätsmanagements.
Menschliche Fehler, auch als „Human Error“ bezeichnet, umfassen unbeabsichtigte Handlungen, die zu Abweichungen von festgelegten Prozessen oder Standards führen. Im GxP-Umfeld können diese Fehler in verschiedenen Formen auftreten:
Aktive Fehler: Direkte, sichtbare Fehler, wie das falsche Abwiegen eines Wirkstoffs.
Latente Fehler: Systemische Schwächen, wie unzureichende Schulungen oder fehlerhafte Prozessdesigns, die Fehler begünstigen.
Die WHO betont in ihren Qualitäts-Risikomanagement-Richtlinien, dass die Bewertung von Risiken auf wissenschaftlichem Wissen basieren und letztlich dem Schutz des Patienten dienen sollte (Weltgesundheitsorganisation).
Die Ursachen für menschliche Fehler sind vielfältig und können in verschiedenen Bereichen liegen:
Kognitive Faktoren: Überlastung, Müdigkeit, Ablenkung oder unzureichende Aufmerksamkeit können zu Fehlern führen (impactfactor.org).
Organisatorische Faktoren: Unklare Verantwortlichkeiten, fehlende Kommunikation oder unzureichende Schulungen erhöhen das Fehlerpotenzial.
Technische Faktoren: Komplexe oder schlecht gestaltete Ausrüstungen und Prozesse können Bedienfehler begünstigen.
Umweltfaktoren: Unzureichende Beleuchtung, Lärm oder unangemessene Temperaturen können die Fehlerquote erhöhen.
Eine Studie zeigt, dass kognitive Fehler, wie mangelnde Aufmerksamkeit, häufig zu GMP-Abweichungen führen und erhebliche Auswirkungen auf die Branche haben können (impactfactor.org).
Die Konsequenzen menschlicher Fehler im GxP-Umfeld sind gravierend:
Produktqualität: Fehler können zu fehlerhaften Produkten führen, die nicht den festgelegten Spezifikationen entsprechen.
Patientensicherheit: Mängel in der Produktqualität können direkte Auswirkungen auf die Gesundheit der Patienten haben.
Regulatorische Konsequenzen: Abweichungen können zu Warnschreiben, Rückrufen oder sogar Produktionsstopps führen.
Finanzielle Auswirkungen: Die Kosten für die Behebung von Fehlern, einschließlich Rückrufen und rechtlicher Konsequenzen, können erheblich sein.
Ein Beispiel zeigt, dass die durchschnittlichen Kosten für eine Abweichung in der pharmazeutischen Industrie zwischen 25.000 und 55.000 US-Dollar liegen (cellandgene.com).
Internationale Regulierungsbehörden haben klare Erwartungen im Umgang mit menschlichen Fehlern:
FDA: Erwartet von Herstellern die Implementierung eines robusten Qualitätssystems, das auch die Analyse und Minimierung menschlicher Fehler umfasst (U.S. Food and Drug Administration).
EMA: Betont in ihren GMP-Leitlinien die Notwendigkeit, Fehlerursachen systematisch zu ermitteln und entsprechende Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen zu ergreifen (European Medicines Agency (EMA)).
WHO: Empfiehlt in ihren Qualitäts-Risikomanagement-Richtlinien einen risikobasierten Ansatz, der auch menschliche Fehler berücksichtigt (Weltgesundheitsorganisation).
Diese Anforderungen spiegeln sich in den jeweiligen nationalen und internationalen GMP-Vorgaben wider.
Um menschliche Fehler effektiv zu minimieren, sollten folgende Strategien implementiert werden:
Schulung und Training: Regelmäßige und zielgerichtete Schulungen erhöhen das Bewusstsein und die Kompetenz der Mitarbeiter.
Prozessgestaltung: Einfachheit, Klarheit und Standardisierung von Prozessen reduzieren Fehlerquellen.
Automatisierung: Der Einsatz von Technologie kann repetitive Aufgaben übernehmen und menschliche Fehler verringern.
Fehlerkultur: Eine offene Fehlerkultur fördert die Meldung und Analyse von Fehlern ohne Angst vor Sanktionen.
Risikomanagement: Die Anwendung von Methoden wie FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse) hilft, potenzielle Fehlerquellen frühzeitig zu identifizieren und zu eliminieren.
Ein Beispiel zeigt, dass die Automatisierung von Reporting-Prozessen in einem pharmazeutischen Unternehmen den Zeitaufwand von fünf Wochen auf fünf Minuten reduzierte und gleichzeitig das Risiko menschlicher Fehler minimierte (appsilon.com).
Ein detailliertes Fallbeispiel aus der pharmazeutischen Industrie verdeutlicht den Umgang mit Abweichungen:
Identifikation der Abweichung: Feststellung einer Abweichung bei der Kalibrierung von Geräten.
Bewertung der Kritikalität: Analyse der potenziellen Auswirkungen auf die Produktqualität.
Ursachenanalyse: Durchführung einer Root-Cause-Analyse zur Identifikation der Fehlerquelle.
Korrekturmaßnahmen: Implementierung von Maßnahmen zur Behebung der Abweichung.
Vorbeugungsmaßnahmen: Anpassung von Prozessen und Schulungen zur Vermeidung zukünftiger Abweichungen.
Dieser strukturierte Ansatz entspricht den Anforderungen der WHO und anderer Regulierungsbehörden (ijpsonline).
Menschliche Fehler sind im GxP-Umfeld unvermeidlich, jedoch durch proaktive Maßnahmen erheblich reduzierbar. Die Implementierung eines robusten Qualitätssystems, das die Analyse und Minimierung menschlicher Fehler umfasst, ist nicht nur regulatorisch gefordert, sondern auch entscheidend für die Sicherstellung der Produktqualität und Patientensicherheit.
World Health Organization. (2013). Annex 2 - WHO guidelines on quality risk management. Retrieved from https://www.who.int/docs/default-source/medicines/norms-and-standards/guidelines/production/trs981-annex2-who-quality-risk-management.pdf
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Chakraborty, P., & Pant, J. J. (2024). The Surging Relevance of Human Error in Pharmaceutical Manufacturing Sectors. Retrieved from https://www.researchgate.net/publication/378852034_The_Surging_Relevance_of_Human_Error_in_Pharmaceutical_Manufacturing_Sectors
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Cell and Gene. (2023). Reducing Human Error In GMP Pharma/Biopharma Operations.