Die Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit
und der Produktqualität durch regulatorisch
definierte Funktionen ist eine fundamentale Säule des
pharmazeutischen Qualitätsmanagements. Ein zentrales Element
ist hierbei die Qualifizierte Person (QP) nach
EU-GMP-Recht sowie die vergleichbare Rolle der
Fachtechnisch verantwortlichen Person (FvP)
nach schweizerischem Heilmittelgesetz. Beide Funktionen sind
eng miteinander verwandt, unterscheiden sich jedoch in
rechtlichen Grundlagen, praktischer Umsetzung und
Verantwortungsumfang.
Dieser Artikel bietet eine detaillierte Analyse, vergleicht die
Rollen, zeigt Praxisbeispiele auf und bewertet auch die
Auswirkungen auf Patientensicherheit, Produktqualität,
Compliance, Timelines und wirtschaftliche Aspekte.
Die Grundlage für die Rolle der QP ist in der Richtlinie 2001/83/EG festgelegt, ergänzt durch die EudraLex Volume 4, Part I, Kapitel 1 und Annex 16 („Certification by a Qualified Person and Batch Release“).
Hauptverantwortung: Sicherstellung, dass jede Charge von Arzneimitteln vor der Freigabe geprüft und für konform befunden wird.
Regulatoren: Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und nationale Behörden (z. B. BfArM in Deutschland, AGES in Österreich).
Verantwortungsspektrum:
Sicherstellung der GMP-Konformität
Überprüfung der Herstellungs- und Analysedokumentation
Sicherstellung der Lieferkettenkontrolle und Qualified Supplier Audits
Endgültige Freigabe der Charge für den Markt
Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU, orientiert sich aber stark an EU-GMP. Die Rolle der FvP ist im Heilmittelgesetz (HMG; SR 812.21), der Heilmittelverordnung (VAM; SR 812.212.1) und in den Swissmedic GMP-Leitlinien verankert.
Hauptverantwortung: Fachtechnische Leitung, Compliance-Verantwortung und Sicherstellung der Herstellung oder Prüfung gemäß schweizerischem Recht.
Regulator: Swissmedic (Schweizerisches Heilmittelinstitut).
Verantwortungsspektrum:
Leitung der für Herstellung oder Qualitätskontrolle verantwortlichen Organisationseinheiten
Sicherstellung, dass Prozesse GMP-konform sind
Meldung relevanter Vorkommnisse und schwerwiegender Abweichungen an Swissmedic
Mitunterzeichnung oder Freigabe entscheidender GMP-relevanter Dokumente
Kriterium | QP (EU) | FvP (CH) |
---|---|---|
Rechtsgrundlage | Richtlinie 2001/83/EG, EudraLex Vol. 4 Annex 16 | Heilmittelgesetz (HMG), VAM, Swissmedic-GMP-Anforderungen |
Fokus | Chargenfreigabe für den Markt in der EU | Fachtechnische Leitung und Compliance-Verantwortung im Betrieb |
Verantwortungsumfang | Einzelne Charge (Batch Certification and Release) | Gesamtverantwortung für GMP-Systeme, Prozesse und Organisation |
Meldesystem | EMA und nationale Behörden | Swissmedic |
Personelle Anforderungen | Naturwissenschaftliches Hochschulstudium, einschlägige Berufserfahrung, Anerkennung durch nationale Behörde | Pharmazie-Studium (Pharmaziestudium in der Schweiz/gleichwertig), Anerkennung durch Swissmedic |
Typische Position in Firmen | Senior QA-Manager oder Head of QA | Mitglied der Geschäftsleitung oder direkt verantwortliche Leitung im GMP-Bereich |
Beide Funktionen stellen einen regulatorischen „Gatekeeper“ dar:
Die QP sichert auf Chargenebene, dass
keine fehlerhaften oder unsicheren Produkte auf den
Markt gelangen.
Beispiel: Rückrufaktionen infolge von
Datenintegritätsproblemen, wie im Fall von Ranbaxy
(2013), zeigten, wie entscheidend die QP-Rolle bei
Dokumentationsprüfung ist.
Die FvP besitzt eine holistischere Funktion, da sie für das gesamte Qualitätssystem verantwortlich ist und etwaige systemische Schwachstellen erkennen und beheben muss.
QP: Fokus auf Freigabeprozesse, Einhaltung von Spezifikationen und Kontrollen.
FvP: Fokus auf Implementierung von GMP-gerechten Prozessen, z. B. Validierungen von Produktionsanlagen, Qualifizierung von Lieferanten und Personalschulungen.
In der EU kann eine unklare oder verspätete Chargenfreigabe durch eine QP zu erheblichen Lieferverzögerungen führen – was in der Praxis Millionenbeträge kosten kann.
In der Schweiz besteht das Risiko durch die starke persönliche Verantwortlichkeit der FvP ebenfalls, allerdings liegt der Fokus stärker auf System-Compliance; Verzögerungen sind hier oft prozessbedingt (z. B. bei verspäteter Meldung an Swissmedic).
Novartis (Basel, Schweiz): In der Schweiz braucht jede Produktionsstätte eine FvP, die eng mit Swissmedic interagiert. Diese Funktion ist integraler Bestandteil der Business Continuity. Ein Ausfall oder Wechsel der FvP verzögert Genehmigungs- und Produktionsprozesse erheblich.
Roche (Basel, Schweiz): Im EU-Raum
müssen für den Export in EU-Märkte zusätzlich QPs in
den Herstellungsstätten benannt werden, da sonst keine
Chargenfreigabe für den EU-Markt erfolgen darf.
→ Hier zeigt sich die Doppelstruktur:
Schweizer Produktionsstandorte benötigen FvP
für Swissmedic und parallel
QP-Bestätigungen für den EU-Markt.
Finanzieller Aspekt:
Unternehmen, die in beiden Rechtsräumen agieren, müssen
zusätzliche Ressourcen (Personal, Zeit, Prozessdokumentation)
aufwenden. In einer Deloitte-Studie wurde eine mittlere
pharmazeutische Produktionsstätte in der Schweiz auf
Mehrkosten von 0,5–1 Mio. CHF pro Jahr durch
die Doppelregulierung geschätzt .
Knappheit an Fachpersonal: Sowohl QPs als auch FvPs sind stark qualifikationsgebunden. Besonders in der Schweiz sind die Hürden hoch, da ein abgeschlossenes Pharmaziestudium zwingend erforderlich ist.
Zunehmende Komplexität der Lieferketten: Biopharmazeutische Produkte und Advanced Therapy Medicinal Products (ATMPs) erfordern intensivere Prüfungen und striktere Dokumentationspflichten.
Harmonisierungspotenzial: Das Mutual Recognition Agreement (MRA) zwischen der EU und der Schweiz ermöglicht eine gewisse gegenseitige Anerkennung von GMP-Inspektionen, jedoch keine gegenseitige Anerkennung der Funktionen QP und FvP.
QP (EU) = Chargenfreigabe und Marktgatekeeper.
FvP (CH) = Gesamtverantwortliche Leitungsfunktion für GMP im Unternehmen.
Beide sichern Patientensicherheit, Qualität und Compliance, unterscheiden sich aber in der Fokusebene (Charge vs. System).
In der Praxis erfordert die Kombination aus FvP und QP in Schweizer Firmen mit EU-Export eine doppelte Verantwortlichkeitsarchitektur, was zusätzliche Ressourcen und Kosten bedeutet.
Ein klarer, dokumentierter und gelebter Verantwortungsabgrenzungsplan zwischen FvP und QP ist entscheidend, um Timelines einzuhalten und Compliance-Risiken zu reduzieren.
Die Zukunft wird durch weitergehende regulatorische Harmonisierung geprägt sein, wenngleich eine vollständige Gleichstellung der Rollen derzeit nicht absehbar ist.
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Deloitte. (2021). The changing role of QPs and regulatory compliance in cross-border pharma manufacturing. Internes Whitepaper, Zugriff am 28.08.2025.
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